KIT 10
HR entdeckt den Dunning-Kruger-Effekt
🧠 Dunning-Kruger trifft Leistungskultur
Ausgerechnet aus HR-Kreisen liest man derzeit vermehrt Beiträge über den Dunning-Kruger-Effekt – oft begleitet von spöttischen Kommentaren über inkompetente Führungskräfte, die ihre eigenen Fähigkeiten maßlos überschätzen. Ist das nicht zutiefst ironisch? Denn häufig waren es genau diese HR-Abteilungen, die jene Persönlichkeiten befördert haben: Die Lauten, die sich Gehör verschaffen. Die "Brennenden", die scheinbar für alles Feuer und Flamme sind. Die Überperformer, die stets 120 Prozent geben. Die Mitreißenden, die andere antreiben – ungeachtet der menschlichen Kosten. Und wer wurde systematisch übersehen? Die Leisen, die Tiefgründigen. Die Reflektierten mit gesundem Selbstzweifel und kritischem Denkvermögen.

In diesem Artikel stelle ich die entscheidende Frage: 👉 Haben wir tatsächlich ein Führungsproblem – oder vielmehr ein fundamentales Systemproblem in unserer Unternehmenskultur?
Autor: Hans G. Stamm
Dunning-Kruger-Effekt?
Wurde nach den US-Psychologen David Dunning und Justin Kruger benannt. 🔍 1999 veröffentlichten sie eine Studie, in der sie zeigten:
Menschen mit geringen Fähigkeiten in einem Bereich neigen dazu, ihre Kompetenz systematisch zu überschätzen – gerade weil ihnen das Wissen fehlt, um ihre Inkompetenz zu erkennen.
Warum ist das so?
Um einzuschätzen, wie gut man etwas kann, braucht man mindestens ein gewisses Maß an Kompetenz in genau diesem Bereich.
Wer diese Basis nicht hat, fehlt es an dem, was Dunning & Kruger „metakognitives Wissen" nennen – also das Wissen über die eigene Denk- und Leistungsfähigkeit.
Die Ironie des Effekts: Kompetente Menschen neigen oft eher zur Selbstunterschätzung, weil sie wissen, wie komplex ein Thema wirklich ist.
Es passiert uns allen
– also nicht nur allen anderen.
Der Dunning-Kruger-Effekt tritt immer auf:
  • wenn wir in einem neuen Gebiet noch zu wenig Ahnung haben,
  • oder wenn wir glauben, ein Thema verstanden zu haben – aber die Tiefe unterschätzen.
Es sei denn, wir sind bestens trainiert in Metakognition.
Metakognition?
Eigenes Denken über das eigene Denken.
🧠 Metakognitive Menschen fragen sich:
  • Was kann ich wirklich – und was nicht?
  • Wo liegen meine Wissenslücken?
  • Wie sicher ist meine Einschätzung – oder irre ich mich gerade?
  • Wie überprüfe ich, ob ich recht habe?
➡️ Diese Denkweise schützt vor falscher Selbstsicherheit und
➡️ fördert lernorientierte Bescheidenheit.
Und was ist mit Selbstreflexion?
Selbstreflexion hilft dir zusätzlich dabei,
eigene Motive zu verstehen
mit Kritik besser umzugehen
blinde Flecken in der Selbstwahrnehmung zu erkennen
Aber: Ohne metakognitive Fähigkeiten kannst du zwar reflektieren – aber dabei im Irrtum verharren.
Zwischenfazit:
Metakognition
Schützt vor Selbstüberschätzung
Selbstreflexion
Macht menschlich, lernfähig und offen
💡 Beides zusammen ergibt echte Urteilsfähigkeit – und schützt vor dem Dunning-Kruger-Effekt.
🧠 Dunning-Kruger-Effekt in der Chefetage?
Klar. Aber wie sind diese Leute da hingekommen?
HR-Posts beklagen jetzt, dass manche Führungskräfte sich maßlos überschätzen und keine Selbstreflexion zeigen.
Meine Frage:
Wer hat sie denn zu Führungskräften gemacht?
Wer wurde in den Unternehmen befördert?
Meistens diejenigen, die
„aus der Komfortzone gehen"
120 Prozent geben"
Extrameilen laufen"
"für etwas brennen"
Und was erwartet man von diesen Führungskräften?
Sie sollen ihre Mitarbeitenden dazu bringen,
„aus der Komfortzone zu gehen"
120 Prozent zu geben"
Extrameilen zu laufen"
"für etwas zu brennen"
Achtung!
Um beruflich "erfolgreich" zu sein und ...
  • aus der Komfortzone zu gehen
  • 120 Prozent zu geben
  • Extrameilen zu laufen und
  • für etwas zu brennen
... darfst du zwei entscheidende Qualitäten auf keinen Fall besitzen:
1
Metakognition
→ Sonst würdest du erkennen, wie irrational und unhaltbar diese Ansprüche eigentlich sind.
2
Reflexionsvermögen
→ Sonst würdest du hinterfragen, wofür du dich eigentlich aufopferst – und welchen persönlichen Preis du dafür zahlst.
Der größte Witz daran:
Gerade die stärksten Einpeitscher galten und gelten heuten noch oft als
Führungspersönlichkeiten mit Drive
Und jetzt wundert man sich, dass einige von ihnen
unter dem Dunning-Kruger-Effekt leiden?
Wer sich zurückhält,
reflektiert
gilt entweder als „Weichei"
oder auf sich achtet,
als „nicht leistungsbereit".
Klug wäre:
nicht über Symptome zu posten, sondern Systeme zu hinterfragen.
Was denkst du?
Diskussion erwünscht.